Eine russische Karriere: Vom Chefankläger zum Obersten Richter

Dr. Hans Janus|

Rechtsanwalt | Lawyer | Consultant (Hamburg)

Oktober 21, 2025|

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Nur etwas mehr als ein Jahr stand Irina Podnosowa an der Spitze des russischen Obersten Gerichts. Am 22. Juli starb sie an einem Krebsleiden, so die offizielle Mitteilung. Igor Krasnow, Generalstaatsanwalt der Russischen Föderation, war der einzige Kandidat für ihre Nachfolge. Ganz am Ende der am 25. August abgelaufenen Bewerbungsfrist hatte er seine Bewerbungsunterlagen eingereicht. Drei Tage zuvor, am 22. August, war er von Präsident Putin zum Verdienten Juristen Russlands ernannt worden. Dadurch war Krasnow, dem jede Erfahrung als Richter fehlt, von der mündlichen Qualifikationsprüfung für das höchste Richteramt befreit.

Über die Ernennung des Vorsitzenden des Obersten Gerichts entscheidet nach Art. 128 VerfRF der Föderationsrat auf Vorschlag des Präsidenten. Zuvor muss das Qualifikationskollegium ein positives Urteil fällen. Dies erfolgte auf der regulären Sitzung des Kollegiums am 22. September. Auf Vorschlag von Präsident Putin ernannte am 24. September erwartungsgemäß der Föderationsrat Igor Krasnow mit 160 Stimmen und damit ohne Gegenstimmen oder Enthaltungen zum neuen Vorsitzenden des Obersten Gerichts. Mit dem Präsidialerlass Nr. 674 vom selben Tag entband Putin Krasnow von seinen Verpflichtungen als Generalstaatsanwalt. Die Amtsperiode Krasnows beläuft sich auf sechs Jahre, sie kann verlängert werden, eine Altersgrenze besteht für den Vorsitzenden des Obersten Gerichts nicht. Ein sehr langes Verweilen des heute 49jährigen Igor Krasnow an der Spitze des Obersten Gerichts ist also denkbar.

Tatsächlich fehlt Krasnow jede praktische Erfahrung als Richter. Er hat Jura an der Lomonossow Universität in Archangelsk studiert und absolvierte danach eine lupenreine Laufbahn in den verschiedenen Strafverfolgungsbehörden, zunächst in seiner Heimatregion und ab 2006 in Moskau.  Krasnow hatte eine enge berufliche Zusammenarbeit mit Alexander Bastrykin, dem Vorsitzenden des Untersuchungskomitees (SK), dessen Stellvertreter er von 2016-2020 gewesen ist. Seit 2020 ist Krasnow als Nachfolger von Juri Tschaika Generalstaatsanwalt der Russischen Föderation. Krasnow war an spektakulären politischen Strafverfahren als Ermittler oder Ankläger beteiligt, wie z.B. der Untersuchung der Ermordung des Oppositionspolitikers Boris Nemzow, dem Verfahren gegen den ehemaligen Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew und mehreren wegen Korruption verurteilten ehemaligen Regionsgouverneuren. Unter seiner Leitung wurden Ermittlungen gegen „unerwünschte Organisationen“ gestartet und mehr als ein Dutzend Verfahren zur Rückverstaatlichung von Privatisierungen, die angeblich rechtswidrig gewesen waren.

Erstmalig seit 1948 rückt damit ein Staatsanwalt an die Spitze des Obersten Gerichts. Aufgrund seines noch relativ jungen Alters und der Tatsache, dass er nicht aus dem Gericht selbst kommt, werden ihm gute Voraussetzungen für die für erforderlich gehaltene Reform der Justiz nachgesagt. Auch wird er als Garant einer engeren Zusammenarbeit von Strafverfolgungsbehörden und Gerichten angesehen. Für die Gewaltenteilung, soweit sie in Russland noch ansatzweise existiert, dürfte dies ein schwerer Schlag sein. Die Gleichschaltung der Justiz wird damit konsequent fortgesetzt.

Praktisch zeitgleich mit Krasnows Ernennung wurde bekannt, dass die noch unter seiner Leitung stehende Generalstaatsanwaltschaft am Vortag in Moskau Klage gegen den Richter am Obersten Gericht und Vorsitzenden des Rates der Richterschaft der R.F. Viktor Momotov wegen verbotener Unternehmertätigkeit im Immobilienbereich sowie Steuerhinterziehung eingereicht und die Einziehung zahlreicher Immobilienobjekte zugunsten des Staates beantragt hat, wie die Zeitung Kommersant‘ zuerst berichtete. Auch gegen Krasnow selbst gibt es schwerwiegende Korruptionsvorwürfe. So soll seine Familie in den letzten drei Jahren Immobilien im Wert von ca. 15 Mio. EUR im Zentrum Moskaus erworben haben, davon eine sehr große dem Kreml gegenüberliegende Luxuswohnung, die dem 8 Monate alten Sohn von Krasnow gehören soll. Dies jedenfalls behauptet der von Alexej Nawalny gegründet Fonds zur Bekämpfung der Korruption (FBK).

Die Ernennung Igor Krasnows zum Vorsitzenden des Obersten Gerichts Russlands verheißt nichts Gutes. Eine an Rechtsstaatlichkeit orientierte Rechtsprechung und die Beachtung der Menschen- und Bürgerrechte kann unter seiner Leitung des Obersten Gerichts nicht erwartet werden.