14. Sanktionspaket der EU gegen Russland

Am 24. Juni 2024 hat die EU das 14. Sanktionspaket gegen Russland im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Es handelt sich um ein umfangreiches Regelungswerk, das die Vorschriften der Verordnungen (EU) 833/2014 und (EU) 269/2014 erweitert und neue Beschränkungen einführt.
Neben neuen bzw. erweiterten Personen- und Güterlistungen sind die Verbote im Hinblick auf Verladungen von russischem LNG, Einfuhrverbote russischen LNGs über nicht an das Erdgasnetz angeschlossene Terminals und Verbote in Bezug auf Fertigstellungen von im Bau befindlichen LNG-Projekten zu erwähnen. Die Nutzung des durch Russland geschaffenen alternativen Finanzmitteilungssystem (SPFS) wird verboten.
Während bislang nur in Russland niedergelassenen Kraftverkehrsunternehmen die Beförderung im Gebiet der Union untersagt war, wird das Verbot nun erweitert auf in der EU niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die zu mindestens 25 % im Eigentum einer russischen Person stehen. Eine Ausnahme gilt für russische natürliche Personen, die auch eine EU-Staatsbürgeschaft haben und (nach der englischen Fassung, in der deutschen fehlt dieser Teil) auch für russische natürliche Personen, die über eine befristete oder unbefristete Aufenthaltserlaubnis in einem Mitgliedstaat verfügen.
Gemäß Art. 3s VO 833/2014 bestehen weitreichende Verbote in Bezug auf in Anhang XLII gelistete Schiffe (die im Verteidigungs- und Sicherheitssektor verwendete Güter und Technologien von oder nach Russland, zur Verwendung in Russland oder für die Kriegsführung Russlands in der Ukraine befördern). Ihnen darf u.a. kein Zugang zu Häfen im Gebiet der Union gewährt werden, sie dürfen nicht eingeführt, erworben, verkauft, verchartert, betrieben werden und es dürfen keine Dienstleistungen oder Finanzhilfen für ein solches Schiff erbracht werden.
Gemäß Art. 3v Abs. 1 VO 833/2014 ist es verboten, unmittelbar oder mittelbar Kulturgüter, die zum kulturellen Eigentum der Ukraine gehören, sowie sonstige Gegenstände von archäologischer, historischer, kultureller, besonderer wissenschaftlicher oder von religiöser Bedeutung, zu kaufen, einzuführen, zu verbringen, zu verkaufen, zu liefern oder auszuführen, wenn der begründete Verdacht besteht, dass die Güter ohne Einwilligung ihrer rechtmäßigen Eigentümer oder unter Verstoß gegen ukrainisches Recht oder Völkerrecht aus der Ukraine entfernt wurden, insbesondere wenn die Güter zu öffentlichen Sammlungen gehören, die in den Bestandsverzeichnissen der erhaltenswürdigen Bestände ukrainischer Museen, Archive oder Bibliotheken oder in den Bestandsverzeichnissen religiöser Einrichtungen der Ukraine aufgeführt sind. Gemäß Art. 3v Abs. 2 VO 833/2014 sind auch akzessorische Dienstleistungen in Bezug auf die Verbote nach Abs. 1 verboten.
Der neue Art. 5ad VO 833/2014 verbietet Transaktionen mit nicht in Russland niedergelassenen Personen, Organisationen und Einrichtungen, die Kryptowerte-Dienstleistungen erbringen und in Zusammenhang mit der Ausfuhr, dem Verkauf, der Lieferung, der Verbringung oder der Beförderung von in den Anhängen VII, XI, XX und XXXV der VO 833/2014 gelisteten Gütern stehen.
Die Frist für das Genehmigungserfordernis von in Art. 5n genannten Dienstleistungen an russische Töchter von EU- und Partnerland-Muttergesellschaften in Art. 5n wurde bis zum 30. September 2024 verlängert. Das BAFA hat daher die Allgemeine Genehmigung Nr. 42 (Bereitstellung von Unternehmenssoftware und Dienstleistungen an nicht sensitive Empfänger) am 17. Juli 204 neu bekannt gegeben. Laut Pressemitteilung des BAFA gilt die Allgemeine Genehmigung Nr. 42 nunmehr im Hinblick auf die in Art. 5n Abs. 10 Buchstabe h) der Verordnung (EU) 833/2014 genannte Nutzung in Ausnahme von Art. 5n Absätze 1, 2, 2a, 2b und 3a Buchst. a) der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 für den Verkauf, die Lieferung, die Verbringung oder die Ausfuhr der dort genannten Güter bzw. die Erbringung der dort genannten Dienstleistungen ab dem 1. Oktober 2024. Die Allgemeine Genehmigung Nr. 42 gilt zudem nunmehr bis zum 31. Dezember 2025. Die auf Grundlage der bisherigen Fassung der Allgemeinen Genehmigung Nr. 42 erfolgten Registrierungen und Meldungen gelten fort.
Die EU-Patentaämter nehmen keine Anträge zur Eintragung von Marken, Patenten und anderen IP-Gütern durch russische Personen mehr entgegen.
Schließlich ist es politischen Parteien, politischen Bündnissen, Nichtregierungsorga-nisationen und Mediendiensteanbietern ab sofort verboten, Zuwendungen, wirtschaftliche Vorteile oder Unterstützung, einschließlich Finanzmitteln und Finanzhilfen von der Regierung Russlands, einer unter öffentlicher Kontrolle stehenden Person, Organisation oder Einrichtung innerhalb oder außerhalb Russlands entgegenzunehmen.
Durch eine Änderung in der russischen Wirtschaftsprozessordnung im Jahr 2020 sind nach russischem Recht für Streitigkeiten mit von EU Sanktionen betroffenen Personen, unter bestimmten Voraussetzungen ausschließlich russische Wirtschaftsgerichte zuständig. Dadurch können russische Personen die Befriedigung von Ansprüchen unter Zugriff auf Vermögenswerte von EU-Unternehmen in Russland erzwingen, deren Befriedigung nach den EU-Sanktionen in der EU untersagt wäre. Art. 5ab unterwirft in Anhang XLIII gelistete Personen, die vor einem russischen Gericht entsprechende Klage erhoben haben, einem grundsätzlichen Transaktionsverbot. Der entsprechende Anhang XLIII ist aber noch leer.
Art. 11a und 11b VOI 833/2014 ermöglichen es EU-Personen und Unternehmen, Schadensersatz von russischen Einzelpersonen oder Organisationen für Schäden zu fordern, die sich daraus ergeben, dass die Erfüllung von Verträgen von einer Regelung aus der VO 833/2014 betroffen war oder die sich aus der unrechtmäßigen Treuhandverwaltung von Vermögen ausländischer Personen, die mit „unfreundlichen ausländischen Staaten“ in Verbindung stehen, folgen. Der Schadensersatzanspruch umfasst ausdrücklich auch entstandene Rechtskosten.
Diskussionsstoff birgt der neue Art. 8a der Verordnung (EU) 833/2014. Danach müssen sich natürliche und juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen nach besten Kräften bemühen, sicherzustellen, dass sich außerhalb der Union niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die sich in ihrem Eigentum oder unter ihrer Kontrolle befinden, nicht an Handlungen beteiligen, die die restriktiven Maßnahmen gemäß dieser Verordnung untergraben. Unklar ist, wie weit die erforderlichen Bemühungen der EU Unternehmen im Einzelnen zu fassen sind. Nach Erwägungsgrund 30 der Verordnung (EU) 2024/1745 sollen darunter jedenfalls
alle Maßnahmen verstanden werden, die geeignet und notwendig sind, um das Ziel zu erreichen, das Untergraben der in der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 enthaltenen restriktiven Maßnahmen zu verhindern. Diese Maßnahmen können beispielsweise die Umsetzung geeigneter Strategien, Kontrollen und Verfahren beinhalten, um Risiken zu mindern und wirksam zu managen, wobei Faktoren wie das Drittland der Niederlassung, der Wirtschaftszweig und die Art der Tätigkeit der juristischen Person, Organisation oder Einrichtung, die sich im Eigentum oder unter der Kontrolle des Wirtschaftsteilnehmern aus der Union befindet, zu berücksichtigen sind.
Die No-Russia Clause wurde nicht generell auf Tochtergesellschaften erweitert, aber in Bezug auf die Gewährung von IP-Rechten für Anhang XL-Güter. Zudem wurden bestimmte Ausnahmen eingeführt, etwa für staatliche bzw. öffentliche Vergabeverfahren.
Ein neuer Art. 12gb Abs. 1 der Verordnung (EU) 833/2014 enthält weitreichende Verpflichtungen im Hinblick auf Güter des Anhangs XL. Ab 26.12.2024 haben die Wirtschaftsbeteiligten zur Ermittlung und Bewertung der Risiken der Ausfuhr nach Russland geeignete Schritte zu unternehmen, die im Verhältnis zur Art und Größe dieser Risiken stehen, und sind zur Dokumentation dieser Risikobewertung verpflichtet. Darüber hinaus sind geeignete Strategien, Kontrollen und Verfahren umzusetzen, die im Verhältnis zur Art und Größe dieser Risiken stehen. Art. 12gb Abs. 3 der Vorschrift fordert von den Wirtschaftsbeteiligten, „sicherzustellen“, dass drittländische Tochterunternehmen ab dem 26. Dezember 2024 ebenfalls die Verpflichtungen nach Abs. 1 erfüllen.
Das Umgehungsverbot des Art. 12 VO 833/2014 wurde an die aktuelle Rechtsprechung des EuGH angepasst und klargestellt, dass mit „wissentlich und vorsätz-lich“ nicht nur Absicht, sondern auch ein billigendes Inkaufnehmen, wohl im Sinne eines bedingten Vorsatzes, zu verstehen ist.
Art. 12b VO 833/2014 sieht Genehmigungsmöglichkeiten für Tätigkeiten vor, die für den Abzug von Investitionen aus Russland oder die Abwicklung der Geschäftstätigkeiten erforderlich sind. Die zuletzt enthaltene Frist für solche Genehmigungsmöglichkeiten bis zum 30. Juni 2024 wurde verlängert bis zum 31. Dezember 2024.
Foto von Christian Lue auf Unsplash