Präsidentschaftswahlen in Belarus am 26. Januar 2025

Dr. Hans Janus|

Rechtsanwalt | Lawyer | Consultant (Hamburg)

December 5, 2024|

4 min read

Contact Dr. Hans Janus
blog-post-image

Präsidentschaftswahlen in Belarus am 26. Januar 2025

In der Republik Belarus finden am 26. Januar 2025 Präsidentschaftswahlen statt. Alexander Lukaschenko, der bei eindeutig und skrupellos gefälschten Wahlen am 9. August 2020 mit angeblich 79 % der Stimmen zum Präsidenten gewählt worden war, stellt sich erneut zur Wahl.

Auf den ersten Blick überraschend ist der Wahltermin, denn eine so frühe Neuwahl wäre rechtlich nicht erforderlich. Nach Art. 81 Abs. 3 VfBel findet die Präsidentenwahl spätestens zwei Monate vor dem Ende der Amtszeit des aktuellen Präsidenten statt und ihr Datum muss spätestens fünf Monate vor dem Ende der Amtszeit gem. Art. 97 Abs. 1 Ziff. 3 VfBel von der Repräsentantenkammer des Parlaments beschlossen werden. Einen entsprechenden Beschluss hat das Unterhaus des belarussischen Parlaments am 23.10.2024 gefasst[1] und den Wahltermin 26.01.2025 festgelegt. Wenig überraschend hat die Zentrale Wahlkommission diesen Termin als „optimal“ eingestuft.[2]

Lukaschenko war am 23.9.2020 aufgrund der massiven Demonstrationen gegen die Wahlfälschungen in einer Art Geheimaktion von einer gem. Art. 83 Abs. 3 VfBel zusammengesetzten Versammlung an einem Werktag und ohne vorherige öffentliche Mitteilung vereidigt worden[3], sodass eine Neuwahl bis zum 20.7.2025, dem letzten Sonntag mindestens zwei Monate vor dem Auslaufen seiner Amtszeit am 23.09.2025, möglich gewesen wäre (Art. 56 Abs. 1 Wahlkodex der Republik Belarus). Der allgemeine Wahltermin in Belarus, der letzte Sonntag im Februar (Art. 147 Abs. 3 VfBel), gilt nur für die Parlaments- und Kommunalwahlen, nicht aber für die Präsidentenwahl.

Ebenfalls erklärungsbedürftig ist die Tatsache, dass Lukaschenko erneut zur Wahl stehen kann. In der von ihm als sein „persönliches Projekt“ durchgedrückten Verfassungsreform von 2022[4] wurde in Art. 81 Abs. 1 VfBel festgeschrieben, dass der Präsident maximal zwei Amtszeiten von fünf Jahren absolvieren darf. Für Lukaschenko wird die Amtszeit nach den Wahlen im Januar 2025 seine siebte Amtsperiode nach seiner erstmaligen Wahl 1994 sein. Die Klarstellung, dass die zitierte Verfassungsnorm für Lukaschenko nicht gilt, findet sich in einer Übergangsvorschrift am Ende der Verfassung, in Art. 143 Abs. 2 VfBel. Die genannte Vorschrift tritt nämlich erst in Kraft, wenn ein neu gewählter Präsident seine Amtsgeschäfte antritt, d.h. mit der Vereidigung des am 26.01.2025 gewählten Präsidenten.[5] Für Lukaschenko bedeutet dies, dass er nach einem Wahlsieg im Januar 2025 noch zehn Jahre Präsident der Republik Belarus sein könnte, eine Wiederwahl in 2030 unterstellt.

Die Präsidentschaftswahlen in Belarus sind bekanntermaßen weder frei noch fair. Die skandalös gefälschten letzten Wahlen von August 2020, bei denen sich auch die oppositionelle Kandidatin Svetlana Tichanovskaja zur Siegerin erklärt hatte, sind von der EU durch ihren damaligen Außenbeauftragten Josep Borell nicht anerkannt worden. Borell sprach der Präsidentschaft Lukaschenkos jede demokratische Legitimation ab.[6] Vor der Wahl waren die aussichtsreichsten Gegenkandidaten von der Zentralen Wahlkommission nicht zugelassen und mehrere von ihnen verhaftet worden, u.a. Viktor Babariko, Valerij Zepkalo und Sergej Tichanovskij. Sie alle sind bis heute inhaftiert. Sergej Tichanovskijs Ehefrau Svetlana trat nach der Verhaftung ihres Mannes in den Präsidentschaftswahlkampf ein und wurde von der Ehefrau von Valerij Zepkalo, Veronika Zepkalo, und von Marija Kolesnikova, der Wahlkampfmanagerin von Viktor Babariko, als Team unterstützt. Auf internationaler Ebene besteht kaum ein Zweifel daran, dass Svetlana Tichanovskaja die eigentliche Wahlsiegerin gewesen ist.

Svetlana Tichanovskaja und Veronika Zepkalo befinden sich im Exil, Marija Kolesnikova ist seit 2020 in Haft. Über ihren gesundheitlichen Zustand und die Haftbedingungen gab es über einen sehr langen Zeitraum von fast zwei Jahren keinerlei Informationen. Erst jüngst tauchten Fotos auf, die belegen, dass sie jedenfalls am Leben ist.[7] Von den etwa 1.300 politischen Häftlingen in der Republik Belarus sind in jüngster Zeit einige Dutzend Inhaftierte nach Einreichung von Gnadengesuchen aus der Haft entlassen worden.[8] Auch für Marija Kolesnikova soll diese Option bestehen.[9]

Angesichts solcher Erfahrungen überrascht es zunächst, dass sich sieben Gegenkandidaten zum gegenwärtigen Amtsinhaber für die Wahl im Januar 2025 gefunden haben. Jeder Kandidat für das Präsidentenamt muss nach Art. 80 VfBel strenge formale Voraussetzungen erfüllen: Alter mindestens 40 Jahre, 20 Jahre ununterbrochener Aufenthalt in Belarus vor den Wahlen, keine weitere Staatsangehörigkeit u.a. Außerdem hat jeder Kandidat (jede Initiativgruppe) gem. Art. 81 VfBel mindestens 100.000 Unterschriften von registrierten Wählern beizubringen, die die Kandidatur unterstützen. Die Frist für die Sammlung der Unterschriften endet am 6.12.2024. Für Lukaschenko hat der belarussische Gewerkschaftsbund die Unterschriftssammlung übernommen und mitgeteilt, dass bereits 1,6 Millionen Unterschriften vorliegen.

Der Begriff „Gegenkandidat“ kann nur mit einem großen Fragezeichen versehen werden. Denn mehrere der angeblichen Gegenkandidaten haben in der Vergangenheit und auch jüngst an ihrer Unterstützung für Amtsinhaber Lukaschenko keinen Zweifel gelassen. Dass die Wahl eine reine Farce sein wird, steht außer Frage. Zwei der sieben Kandidaten haben sich bereits aus dem Wahlkampf wieder zurückgezogen.[10] Und Amtsinhaber Lukaschenko hat sehr klar deutlich gemacht, dass er jeden Versuch einer ernsthaften Opposition gegen seine Wiederwahl unterbinden wird.[11]

Es bleibt die Frage, warum Lukaschenko den Wahltermin ein halbes Jahr früher ansetzt, als er eigentlich müsste. Hierüber wird viel spekuliert. Eine bessere Abstimmung mit dem neuen „sozioökonomischen Entwicklungszyklus“ wird vom Vorsitzenden der Zentralen Wahlkommission genannt, aber andere Stimmen sehen die Furcht Lukaschenkos vor erneuten Demonstrationen im Mittelpunkt: Ein winterlicher Wahltermin bei frostigen Temperaturen könnte die Lust am Demonstrieren reduzieren. Oder will sich Lukaschenko in eine verbesserte Ausgangsposition bringen, um gegebenenfalls eine Vermittlerrolle bei Friedensgesprächen für die Ukraine spielen zu können? Auch könnte ihm daran gelegen sein, durch einen klaren Wahlsieg das Trauma der international nicht anerkannten Wahlen von 2020 zu überwinden und seiner Herrschaft mehr Legitimität zu vermitteln. In jedem Fall ist die Opposition stärker geschwächt als bei jeder vorherigen Wahl. Die maßgeblichen Oppositionellen sind entweder in Haft oder im Exil oder sie enthalten sich jeder öffentlichen Stellungnahme. Lukaschenkos Furcht dürfte unbegründet sein. Bei dieser Wahl braucht weniger gefälscht zu werden als je zuvor.

Nur in einem Aspekt könnten Fälschungen notwendig werden: Laut Art. 82 Abs. 1 und 2 VfBel bedarf der Präsident, um im ersten Wahlgang gewählt zu werden, eine Mindest-Wahlbeteiligung von 50 % der registrierten Wählerinnen und Wähler und eine absolute Mehrheit von über 50 % der abgegebenen Stimmen. Da die Exil-Opposition die Wählerinnen und Wähler zum Wahlboykott aufgefordert hat und da für die Bürgerinnen und Bürger von Belarus der Ausgang der Präsidentschaftswahl ohnehin klar ist, dürfte die Wahlleidenschaft extrem begrenzt sein, sodass der Wahlbeteiligung vielleicht durch Fälschung über die 50 %-Hürde geholfen werden muss.[12]

Eins steht jedoch unumstößlich fest: Der Wahlsieger am 25.1.2025 wird Alexander Lukaschenko heißen.

[1] VO Nr. 99-П8/II der Repräsentantenkammer der Nationalversammlung der Republik Belarus vom 23.10.2024.

[2] https://deu.belta.by/printv/president/view/prasidentschaftswahlen-in-belarus-sind-fur-den-26-januar-2025-geplant-68493-2024/

[3] https://www.dw.com/de/belarus-alexander-lukaschenko-l%C3%A4sst-sich-vereidigen/a-55025542.

[4] Hierzu: Janus, Eine neue Verfassung für Belarus. Russlands Verfassungsreform als Vorbild, DRRZ 2022 Nr. 1, S. 21 ff.

[5] Janus, Eine neue Verfassung für Belarus. Russlands Verfassungsreform als Vorbild, DRRZ 2022 Nr. 1, S. 21, 28.

[6] https://www.consilium.europa.eu/en/press/press-releases/2020/09/24/belarus-declaration-by-the-high-representative-on-behalf-of-the-european-union-on-the-so-called-inauguration-of-aleksandr-lukashenko/; Janus, Belarus: Ein Land auf schiefer Ebene – Gewinnung und Erosion staatlicher Souveränität, Osteuropa-Recht, 2023 Nr. 3, S. 287, 301.

[7] Bigalke, Profil: Maria Kolesnikowa. Gefangene in Belarus, die Schlimmes erleidet. Aber sie lebt, Süddeutsche Zeitung, 16.11.2024, S. 4.

[8] https://www.dw.com/de/belarus-lukaschenko-begnadigt-politische-h%C3%A4ftlinge/a-70132167

[9] https://www.mdr.de/nachrichten/welt/osteuropa/politik/belarus-wahlen-vorgezogen-praesident-lukaschenko-100.html.

[10] Die weiteren Kandidaten außer Alexander Lukaschenko sind: O. Gajdukevič, A. Chižnjak, A. Kanopackaja, S. Syrankov.

[11] https://deu.belta.by/president/view/lukaschenko-zum-ruckzug-von-tschemodanowa-und-bobrikow-aus-dem-prasidentschaftswahlkampf-69150-2024/

[12] Ein Meinungsforschungsinstitut geht allerdings nach entsprechender Umfrage von einer Wahlbeteiligung von 65 % aus, https://deu.belta.by/society/view/die-absolute-mehrheit-der-belarussen-nimmt-an-den-wahlen-teil-69135-2024/.

Foto von Svetlana Balokon auf Flickr