Steuerreform verabschiedet

Dr. Hans Janus|

Rechtsanwalt | Lawyer | Consultant (Hamburg)

July 24, 2024|

3 min read

Contact Dr. Hans Janus
blog-post-image

Mit 409 Ja-Stimmen und ohne Nein-Stimmen oder Enthaltungen hat die Staatsduma am 10.07.2024 ein Gesetzespaket zur Steuerreform verabschiedet. Die Annahme von Gesetzen ohne Gegenstimmen ist leider für die Duma zur Regel geworden, was den düsteren Eindruck von der Arbeit des russländischen Parlaments nur bestätigt. Das Artikelgesetz Nr. 176-FZ vom 12.07.2024 ändert den Steuerkodex in vielen und grundlegenden Bereichen und besteht aus zwei wesentlichen Teilen: Der Reform der Einkommensteuer natürlicher Personen und einer Erhöhung der Gewinnsteuer. Es tritt mit seinen wesentlichen Teilen am 01.01.2025 in Kraft.

Bei der Einkommensteuer steht im Mittelpunkt ein Fortschreiten in Richtung eines progressiven Steuertarifs. Der noch aus sowjetischer Zeit stammende und fast mythische Einheitssteuersatz von 13 % war bereits 2020 durch das Änderungsgesetz zum Steuerkodex der Russländischen Föderation  Nr. 372-FZ vom 23.11.2020 aufgeweicht worden. Damals wurde ein neuer Steuersatz von 15 % für Einkünfte natürlicher Personen von mehr als 5 Millionen Rubel im Jahr mit Wirkung ab 01.01.2021 eingeführt. Dieser Weg wird nun konsequent weiter beschritten, indem gemäß Art. 224 Steuerkodex eine neue Steuertabelle mit folgenden Sätzen für zu versteuernde Einkünfte ab 01.01.2025 gilt:

  • 13 % für Einkünfte bis 2,4 Millionen Rubel;
  • 312.000 Rbl. plus 15 % für Einkünfte ab 2,4 Millionen Rubel bis 5 Millionen Rubel;
  • 702.000 Rbl. plus 18 % für Einkünfte von 5 Millionen Rubel bis 20 Millionen Rubel;
  • 3.402.000 Rbl. plus 20 % für Einkünfte von 20 Millionen Rubel bis 50 Millionen Rubel;
  • 9.402.000 Rbl. plus 22 % für Einkünfte von mehr als 50 Millionen Rubel.

Die Steuersätze bauen somit aufeinander auf und gelten jeweils für die Einkünfte, die der entsprechenden Stufe zuzurechnen sind. Für Einkünfte bis 2,4 Millionen Rubel (ca. 25.000 EUR) im Jahr ändert sich also nichts gegenüber der bisherigen Regelung. Der 2021 eingeführte Steuersatz von 15 % für Einkünfte ab 5 Millionen Rubel greift nunmehr aber schon ab jährlichen Einkünften von mehr als 2,4 Millionen Rubel. Die Steuersätze von 18 %, 20 % und 22 % sind neu und belasten die Einkünfte ab 5 Millionen Rubel (ca. 52.500 EUR).

Steuervergünstigungen gelten für Teilnehmer am Krieg in der Ukraine sowie für bestimmte Lohnzuschläge für Berufstätige im Hohen Norden Russlands und in vergleichbaren Regionen mit besonderen klimatischen oder ökologischen Bedingungen. Allein von dieser Maßnahme sollen über 4 Millionen Familien mit mehr als 10 Millionen Kindern profitieren.

Die Grundaussage, dass die Einkommensteuerreform primär dazu dient, die Spitzenverdiener stärker zu besteuern und den Großteil der Steuerpflichtigen nicht höher zu belasten, ist in Frage zu stellen. Angeblich sollen von der Reform der Einkommensteuer nur 3 % der Bevölkerung, etwa 2,5 Millionen Menschen, betroffen sein, wie die Zeitung Vedomosti online am 9.7.2024 kommentiert. Die Zusatzbelastung durch die Einkommensteuerreform trifft die städtische Mittelschicht durchaus, sodass ein größerer Teil der Bevölkerung Russlands betroffen sein dürfte, zumal die Löhne und Einkommen in Russland zuletzt deutlich gestiegen sind. Das Einnahmenplus des Staatshaushalts im Jahr 2025 hat die Regierung auf 533 Milliarden Rubel (ca. 5,6 Milliarden EUR) geschätzt.

Durch ein weiteres Gesetz vom 12.07.2024 (Gesetz Nr. 179-FZ) wurde eine Unterstützungsleistung für berufstätige Eltern von zwei oder mehr Kindern eingeführt. Sie können eine Steuerrückvergütung erhalten, sofern die steuerpflichtigen Einkünfte der Familie im Vorjahr das 1,5fache des Lebensminimums in der Region des Wohn- oder Aufenthaltsorts (vgl. Gesetz Nr. 134-FZ vom 24.10.1997) nicht überschritten haben. Durch diese Rückvergütung von 7 % reduziert sich der Einkommensteuersatz von 13 % auf de facto 6 %.

Wesentliche Änderungen durch das Gesetz 176-FZ hat auch Art. 284 Steuerkodex erfahren, der sich auf die Gewinnsteuer bezieht. Der Steuersatz erhöht sich um 5 Prozentpunkte auf 25 %. Davon fließen 8 % (bisher 7 %) in den Föderationshaushalt, 17 % (bisher 13 %) in den Haushalt des jeweiligen Föderationssubjekts. Für die in jüngster Zeit von der Gewinnsteuer befreiten IT-Unternehmen wurde ein Gewinnsteuersatz von 5 % eingeführt. Diese Steuern fließen ausschließlich in den Föderationshaushalt.

Weitere Änderungen betreffen das Vereinfachte Verfahren der Steuererhebung für kleine juristische Personen oder Privatunternehmer (betrifft verschiedene Steuerarten), eine Anpassung der Steuersätze zahlreicher Akzisen, z.B. auf Tabakerzeugnisse und alkoholische Getränke war bereits im November 2023 erfolgt (Gesetz Nr. 539-FZ). Insgesamt geht man von Steuermehreinnahmen des Föderationshaushalts in Höhe von 2,6 Billionen Rubel aus. Davon entfallen 533 Milliarden auf die Einkommensteuer, 1,6 Billionen auf die Gewinnsteuer und 473 Milliarden auf das Vereinfachte Steuerverfahren. Die stark erhöhten Budgetausgaben durch den Ukraine-Krieg und die dringend notwendige Modernisierung der Infrastruktur schlagen sich in diesen erheblichen Steuererhöhungen nieder. Dass die höheren Staatseinnahmen wirklich für den Wohnungs- und Straßenbau, für die Wissenschaft und die Hochtechnologie eingesetzt werden, wie der Duma-Sprecher Wjatscheslaw Wolodin verkündete, ist stark zu bezweifeln.

Foto: wikimedia.org, by Alexander Sivov