Am 30. Juni 2024 hat die EU die Verordnung (EU) 2024/1865 im Amtsblatt der EU veröffentlicht, mit der die bestehenden EU-Sanktionen gegen Belarus der Embargoverordnung (EU) 765/2006 („Belarus-Embargoverordnung“ oder „VO 765/2006“) erheblich erweitert und an die bestehenden EU-Sanktionen gegen Russland angepasst wurden. Die Änderungen traten am 1. Juli 2024 in Kraft.
Die Ausfuhrverbote wurden erheblich erweitert und an die Verordnung (EU) 833/2014 (VO 833/2014) angepasst. Zudem wurden sie um begleitende Verbote der Erbringung von technischer Hilfe, Vermittlungsdiensten oder anderer Dienste, der Gewährung von Finanzmitteln oder Finanzhilfe und Rechten des geistigen Eigentums, Geschäftsgeheimnissen und Lizenzen erweitert. Spiegelbildlich wurden die Einfuhrverbote erweitert und ebenfalls um die VO 833/2014 bekannten begleitenden Verbote der Erbringung von technischer Hilfe, Vermittlungsdiensten oder andere Dienste, der Gewährung von Finanzmitteln oder Finanzhilfe erweitert:
Die Belarus-Embargoverordnung enthält nunmehr auch ein Exportverbot für Industriegüter (analog Art. 3k VO 833/2014) einschließlich Durchfuhrverboten. Das Exportverbot für Hochtechnologiegüter nach Art. 1f) VO 765/2006 wurde durch Erweiterung des Anhangs Va (analog Anhang VII VO 833/2014) erheblich erweitert, es wurden Ausfuhrverbote für Güter der Seeschifffahrt und für Luxusgüter eingefügt.
Es wurden Einfuhrverbote für Güter zur Ölraffination (Art. 1gc) eingefügt, für Mineralölerzeugnisse und Rohöl (Art. 1h), für von in Anhang XXVIII gelisteten Gütern (Art. 1ra –entspricht Art. 3i VO 833/2014) sowie für Diamanten (Art. 1 rc).
Auch der Erwerb von Beteiligungen im belarussischen Energiesektor ist nunmehr verboten, Art. 1gb VO 765/2006.
Analog zu Art. 5n VO 833/2014 wurde ein neuer Art. 1jc in VO 765/2006 eingefügt. Dieser verbietet umfassend Dienstleistungen an die Republik Belarus, ihre Regierung, ihre öffentlichen Stellen, Unternehmen und Agenturen, oder an natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die im Namen oder auf Weisung der Republik Belarus, ihrer Regierung, ihrer öffentlichen Stellen, Unternehmen oder Agen-turen handeln in den Bereichen Wirtschaftsprüfung einschließlich Abschlussprüfung, Buchführung und Steuerberatung sowie Unternehmens- und Public-Relations-Beratung, Architektur und Ingenieurwesen, Rechtsberatung, IT-Beratung, Markt- und Meinungsforschung, technische, physikalische und chemische Untersuchung und Werbung. Zudem ist es verboten, unmittelbar oder mittelbar Software für die Unternehmensführung und Software für Industriedesign und Fertigung gemäß Anhang XXVI an die vorstehenden Personen, Organisationen und Einrichtungen zu verkaufen, zu liefern, weiterzugeben, auszuführen oder bereitzustellen, auch diesbezügliche technische Dienste, Vermittlungsdienste, Finanzhilfen und sonstige Dienste sind verboten. Es wurde hier ersichtlich nicht die gleiche Formulierung wie in Art. 5n VO 833/2014 gewählt, in dem die Leistungserbringung an „a) die Regierung Russlands oder b) in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen“ verboten wurde. Daher wollte man wohl nur umfassend öffentliche bzw. staatliche Träger und Organisationen einschließlich staatliche Unternehmen in Belarus erfassen. Weshalb aber dann wie auch nach dem analogen Art. 5n Abs. 7 der VO 833/2014 nach Art. 1jc bis zum 2. Januar 2025 die Erbringung vorstehender Dienstleistungen zur ausschließlichen Nutzung durch in Belarus niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die sich im Eigentum oder unter der alleinigen oder gemeinsamen Kontrolle einer nach dem Recht eines Mitgliedstaats, eines dem Europäischen Wirtschaftsraum angehörenden Landes, der Schweiz oder eines in Anhang Vb aufge-führten Partnerlandes gegründeten oder eingetragenen juristischen Person, Organisation oder Einrichtung befinden, noch genehmigungsfrei zulässig sind, ist nicht nachvollziehbar. Eine zeitnahe Klärung, ob das Verbot nur Leistungen an belarussische staatliche Unternehmen oder an sämtliche belarussische Unternehmen (wie nach Art. 5n VO 833/2014) erfasst, wäre wünschenswert.
Eine Altvertragsregelung ist gemäß Art. 1jc Abs. 6 VO 765/2006 vorgesehen für die Erbringung von Dienstleistungen, die unbedingt erforderlich sind, um vor dem 1. Juli 2024 geschlossene Verträge bis zum 2. Oktober 2024 zu beenden. Diese Übergangsregelung gilt für Verträge mit sämtlichen belarussischen Vertragspartnern, durch die vor dem 1. Juli 2024 konkrete Leistungspflichten begründet wurden – unabhängig davon, in welchem Land die Muttergesellschaft des belarussischen Vertragspartners ansässig ist.
Es gibt keine Art. 5n Abs. 8a VO 833/2014 vergleichbare Ausnahme. Art. 5n Abs. 8a VO 833/2014 sieht eine zeitlich unbefristete Befreiung für die Erbringung von Dienstleistungen durch EU-Staatsbürger, die in Russland ansässig sind und dies bereits vor dem 24. Februar 2022 waren, an russische Tochterunternehmen von Muttergesellschaften in EU- und Partner-ländern vor, die EU-Personen bei den russischen Tochtergesellschaften angestellt sind und die Dienstleistungen zur ausschließlichen Nutzung durch letztere bestimmt sind. Offensichtlich sah man hier keinen Bedarf einer solchen Befreiung.
Das Umgehungsverbot in Art. 1m wurde – wie Art. 12 VO 833/2014 – an die aktuelle Rechtsprechung des EuGH dahingehend angepasst, dass es verboten ist, wissentlich und vorsätzlich an Tätigkeiten teilzunehmen, mit denen die Umgehung der in der VO 765/2006 festgelegten Verbote bezweckt oder bewirkt wird, auch wenn mit der Beteiligung an solchen Tätigkeiten dieser Zweck oder diese Wirkung nicht absichtlich angestrebt wird, es aber für möglich gehalten wird, dass sie diesen Zweck oder diese Wirkung hat, und dies billigend in Kauf genommen wird.
Die VO 765/2006 enthält auch eine No-Belarus-Clause, die der No-Russia-Clause entspricht sowie erweiterte Verpflichtungen nach Art. 8ga in Bezug auf Güter und Technologien von hoher Priorität ab dem 2. Januar 2025 (entspricht Art. 12gb VO 833/2014).
Schließlich sieht ein neuer Art. 8i VO 765/2006 – ähnlich wie Art. 8a VO 833/2014 – vor , dass natürliche und juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen sich nach besten Kräften bemühen sollen, zu gewährleisten, dass eine außerhalb der EU niedergelassene juristische Per-son, Organisation oder Einrichtung, die sich in ihrem Eigentum oder un-ter ihrer Kontrolle befindet, nicht an Tätigkeiten teilnimmt, mit denen die restriktiven Maßnahmen gemäß dieser Verordnung untergraben werden.
Unklar ist, wie weit die erforderlichen Bemühungen der EU-Unternehmen im Einzelnen zu fassen sind. Nach Erwägungsgrund 34 der Verordnung (EU) 2024/1865 sollen darunter jedenfalls „alle Maßnahmen verstanden werden, die geeignet und notwendig sind, um das Ziel zu erreichen, das Untergraben der in der Verordnung (EG) Nr. 765/2006 enthaltenen restriktiven Maßnahmen zu verhindern. Diese Maßnahmen können beispielsweise die Umsetzung geeigneter Strategien, Kontrollen und Verfahren beinhalten, um Risiken zu mindern und wirksam zu managen, wobei Faktoren wie das Drittland der Niederlassung, der Wirtschaftszweig und die Art der Tätigkeit der juristischen Person, Organisation oder Einrichtung, die sich im Eigentum oder unter der Kontrolle des Wirtschaftsteilnehmers aus der Union befindet, zu berücksichtigen sind. Gleichzeitig sollte „Bemühungen nach besten Kräften“ so verstanden werden, dass sie nur Maßnahmen umfassen, die für den Wirt-schaftsteilnehmer aus der Union angesichts seiner Art, seiner Größe und der relevanten tatsächlichen Umstände, insbesondere des Grads der wirksamen Kontrolle über die außerhalb der Union niedergelassene juristische Person, Organisation oder Einrichtung, durchführbar sind. Zu solchen Umständen gehört der Fall, dass der Wirtschaftsteilnehmer aus der Union aus nicht von ihm verursachten Gründen, wie etwa den Rechtsvorschriften eines Drittlands, nicht in der Lage ist, Kontrolle über eine in seinem Eigentum befindliche juristische Person, Organisation oder Ein-richtung auszuüben.“
Die Vorschrift statuiert jedenfalls – anders als der ebenfalls neu eingefügte Art. 8ga Abs. 3 – nur eine Bemühens- und keine Erfolgspflicht für die Wirtschaftsbeteiligten. Es spricht jedoch vieles dafür, dass die EU hier auf eine deutliche Erhöhung der Anforderungen an EU-Unternehmen abzielt. Interne Richtlinien und Anweisungen an drittländische Tochtergesellschaften sollten deswegen im Lichte des neuen Art. 8i überprüft werden
Wie auch Art. 6b der Verordnung (EU) 833/2014 sieht Art 8j der Verordnung (EU) 765/2006 eine Verpflichtung natürlicher und juristischer Personen, Organisationen und Einrichtungen vor, Informationen, die die Umsetzung der Verordnung (EU) 765/2006 erleichtern, der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem sie ihren Wohn- bzw. Geschäftssitz haben, innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt dieser Informationen zu übermitteln und mit der zuständigen Behörde bei der Überprüfung dieser Informationen zusammenzuarbeiten (sog. Jedermannsrecht).
Die Belarus-Verordnung (EU) 765/2006 wurde umfassend geändert und sehr erheblich erweitert. Sie hat nun in weiten Teilen eine ebenso große Reichweite wie die EU-Russlandsanktionen.
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